Im Laufe der vergangenen Jahre haben mehr und mehr Organisationen den Einsatz von Business Architecture (BA) Ansätzen als wertvolles Instrument auf ihren Design- und Transformationswegen erkannt. Im BIZBOK® Guide (A Guide to the Business Architecture Body of Knowledge®) heißt es: „Business architecture represents holistic, multidimensional business views of: capabilities, end-to-end value delivery, information, and organizational structure; and the relationships among these business views and strategies, products, policies, initiatives, and stakeholders.“ Als solche kommt Business Architecture mit einer „Value Proposition“ daher, die wie folgt zusammengefasst werden kann:
„The value of business architecture is to provide an abstract representation of an enterprise and the business ecosystem in which it operates. By doing so, business architecture delivers value as an effective communication and analytical framework for translating strategy into actionable initiatives. The framework also enhances the enterprise’s capacity to enact transformational change, navigate complexity, reduce risk, make more informed decisions, align diverse stakeholders to a shared vision of the future, and leverage technology more effectively.“
Kommen betroffene Akteure mit Business Architecture in Berührung, reagieren sie jedoch unter Umständen zunächst mit Skepsis und stellen ggf. gar deren Notwendigkeit bzw. Daseinsberechtigung in der heutigen Unternehmenspraxis in Frage. Im Folgenden finden sich übliche Zweifel und Vorschläge, wie sich solchen Aussagen begegnen lässt.
Behauptung #1: Business Architecture ist nur ein „Modethema“
Wachsende Communities und Vereinigungen von BA-Praktikern, die Etablierung akademischer Programme im BA-Umfeld, reifende Referenzmodelle und Standards (wie z.B. der BIZBOK® Guide), eine wachsende Vielfalt von Quellen, die sich mit Business Architecture auseinandersetzen, sowie das voranschreitende „Alignment“ mit anderen Praxisfeldern sprechen klar gegen die von Skeptikern geäußerte Erwartung, dass Business Architecture nur eine temporäre Erscheinung ist.
Behauptung #2: Business Architecture lohnt sich nicht, wir sind seit Ewigkeiten gut ohne gefahren
Gewiss haben etliche Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich wirken können, ohne eine „BA-Practice“ formal etabliert zu haben. Andererseits jedoch wird man sich in den meisten Organisationen an Initiativen aus der Vergangenheit erinnern können, die zu einem gewissen Grad gescheitert sind bzw. definierte Ziele nicht erreicht haben. Einige dieser werden unter „Scope Creep“ und einer fehlenden Ausrichtung an der Strategie gelitten haben, andere mögen gänzliche Misserfolge gewesen sein. Erläutert man, wie Business Architecture dabei hätte helfen können, den Scope der Vorhaben besser zu verstehen, Aufwände einzusparen und die Initiativen konform mit der übergreifenden Strategie zu halten, schafft man es, Aussagen der Art, dass es nie einen Bedarf für Business Architecture gegeben hätte, zu entkräften.
Doch auch ohne etwaige Misserfolge aus der Vergangenheit, auf die man verweisen kann, gilt es anzuerkennen, dass sich offensichtlich die Zeiten geändert haben, und damit auch die Herausforderungen für Unternehmen. Diese unterliegen heute einem kontinuierlichen Wandel und haben es mit vielfältigen Zusammenhängen und Abhängigkeiten zu tun, sowohl innerhalb als auch über die organisatorischen Grenzen hinweg. Ob also nun Business Architecture in der Vergangenheit eine Rolle gespielt hat bzw. hätte oder nicht – es lässt sich gut erklären, dass es heute und umso mehr in der Zukunft eine wesentliche Relevanz hat bzw. haben wird.
Behauptung #3: Business Architecture ist zu zeitaufwändig
Ohne Frage werden gewisse Aufwände anfallen, um eine BA-Practice aufzubauen und BA-Inhalte zu entwickeln. Dabei lässt sich jedoch schrittweise vorgehen, es muss nicht gleich alles angegangen werden. Durch Fokussierung auf die wesentlichen Stakeholderinteressen bzw. -anliegen („Concerns“) anhand einer initialen „Baseline“ wird man als Business Architect unmittelbar Wirkung in der Organisation erzielen können. Die Verteilung von BA-Verantwortlichkeiten in der Organisation lässt Sie zudem unverhältnismäßig hohe Aufwände an einer Stelle vermeiden.
Letztlich wird die durch BA-Einsatz in Szenarien wie Mergers & Acquisitions, der Entwicklung und Einführung neuer Produkte und digitaler Transformationsvorhaben eingesparte Zeit ab einem gewissen Punkt die Initial- und Regelaufwände für die Pflege verschiedener Darstellungen und begleitender Dokumentation aufwiegen bzw. ausgleichen. Langfristig wird es wohl zeitaufwändiger sein, ohne BA-Practice zu fahren als mit, da man ohne BA-Grundlage in neuen Vorhaben immer wieder gezwungen sein wird, „das Rad neu zu erfinden“.
Behauptung #4: Business Architecture hat keinen Platz im agilen Arbeitsumfeld
Mit dem Aufstieg bzw. der steigenden Popularität agiler Methoden hat die BA-Arbeit ihre Relevanz verloren, mag man behaupten. Tatsächlich scheint jedoch das Gegenteil der Fall zu sein. Während es stimmt, dass die Zeiten von größeren „Upfront-Designs“ vorbei sein mögen, zeigt die Erfahrung, dass es für die agile Praxis entscheidend ist, Teams hinter einer gemeinsamen Vision zu versammeln, die Kommunikation über Teams hinweg zu fördern und es zu schaffen, Prioritäten gemäß übergreifender Anforderungen zu setzen, um erfolgreich zu sein. Vor diesem Hintergrund scheint Business Architecture wichtiger geworden zu sein als jemals zuvor.
Behauptung #5: Business Architecture ist nicht notwendigerweise der beste Ansatz im „Strategy Execution“-Kontext
Während in der Regel die hohe Veränderungsdynamik heutzutage gesehen und durchaus eine Notwendigkeit für etwas erkennt wird, das dabei hilft, Komplexität zu beherrschen und Strategie in einen umsetzbaren Rahmen zu übersetzen, findet man doch immer wieder eine kritische Haltung gegenüber einem BA-Einsatz zu diesem Zwecke vor. Fragt man jedoch nach alternativen Ansätzen, die dabei helfen, sich strukturiert durch das „Strategy-to-Execution“-Kontinuum zu bewegen, ist es nicht selten ein Achselzucken, das man als Antwort erhält. Den Ball hier in das Feld des Anderen zu spielen kann somit ein hilfreicher Schritt sein. Wenn es denn keine anderen Ansätze gibt, die sich als wirksamer erwiesen haben, warum sollte man dann nicht Business Architecture eine Chance geben?
Behauptung #6: Business Architecture ist eine sonderbare Praxis
Ein regelmäßiger Review von Blueprints und die Pflege und Sicherstellung der Aktualität von BA-Informationen mag manchem als sinnlos und eigenartig erscheinen. Hier kann es hilfreich sein, auf andere Felder in der Praxis zu verweisen, wie z.B. die Buchhaltung. Ist es nicht gängige Praxis, in bestimmter Regelmäßigkeit angefallene Belege einzureichen, die Erstattung von Reisekosten zu beantragen bzw. – allgemein gesprochen – Unterlagen und Daten auf dem aktuellem Stand zu halten? Nicht anders ist es in der BA-Praxis; so stützt man sich auf Prinzipien, die in anderen Feldern völlig üblich und etabliert sind.
Zusammenfassung und Fazit
Wie skizziert gibt es unterschiedliche Arten von Skepsis gegenüber Business Architecture, mit denen es umzugehen gilt. Als Business Architect ist man gut beraten, sich auf solch skeptische Stimmen vorzubereiten bzw. sicherzustellen, dass man diesen sinnvoll begegnen und somit Zweifel ausräumen und Leute an Bord holen kann. Es steht außer Frage, dass die Art und Weise der Kommunikation zu bzw. über Business Architecture eine herausragende Bedeutung hat. So verstehen wir vor diesem Hintergrund auch „Storytelling“ als wesentlichen Faktor für erfolgreiche Architekturarbeit. Bei Interesse an einer weiteren Diskussion zu dem Thema oder an unserem Kurs „Business Architecture Storytelling“ (der sich u.a. der Frage widmet, wie sich die „Business Architecture Value Proposition“ unter Einsatz von Stories erläutern lässt), freuen wir uns über eine Nachricht.